Review: Ghost of Yōtei Featured
Am 2. Oktober 2025 erschien mit Ghost of Yōtei das neue Prestigeprojekt von Sucker Punch Productions, veröffentlicht von Sony Interactive Entertainment. Exklusiv für die PlayStation 5 entwickelt, tritt es das schwere Erbe von Ghost of Tsushima an, das 2020 Maßstäbe im Samurai-Genre gesetzt hat. Mit einem Preis von rund 79,99 € für die Standard-Edition ordnet sich der Titel im üblichen Premiumsegment ein. Doch die Frage ist: Kann das Spiel mehr als nur die vertrauten Pfade beschreiten und wirklich ein neues Kapitel für Samurai-Abenteuer aufschlagen?
Story
Die Handlung führt uns in das 17. Jahrhundert nach Ezo, dem heutigen Hokkaidō. Im Mittelpunkt steht Atsu, eine Onna-musha, die von einem schweren Schicksal gezeichnet ist. Ohne zu viel zu verraten: Das Spiel thematisiert Verlust, Vergeltung und die Suche nach Identität – doch anstatt stumpf einer Racheliste zu folgen, entfaltet sich eine Erzählung, die Raum für Zwischentöne lässt. Rückblenden, persönliche Begegnungen und moralische Fragen verleihen der Geschichte emotionale Tiefe, ohne sie mit allzu vielen Zwängen zu verschachteln. Der Plot verläuft nicht streng linear – Spielerinnen und Spieler können die Reihenfolge bestimmter Ereignisse selbst bestimmen, was das Gefühl eigener Verantwortung verstärkt.
Gameplay und Steuerung
Das Herzstück bleibt der Kampf, und hier legt Ghost of Yōtei deutlich zu. Atsu führt verschiedene Waffen, von klassischen Katanas über schwere Klingen bis hin zu exotischeren Werkzeugen wie der Kusarigama. Jede Waffe spielt sich anders und fordert ein Umdenken in Taktik und Timing. Das Blocken und Parieren verlangt präzises Fingerspitzengefühl, wodurch selbst gewöhnliche Kämpfe spürbare Spannung entwickeln.
Daneben ist Schleichen weiterhin ein zentrales Element, auch wenn das Spiel dich oft in direkte Konfrontationen zwingt. Wer geduldig agiert, kann Gegner mit leisen Angriffen ausschalten, doch es fehlt manchmal die Tiefe, die man von reinen Stealth-Titeln kennt. Die Steuerung fühlt sich insgesamt präzise an, wenngleich die Vielzahl an Mechaniken und Tastenkombinationen anfangs überwältigend sein kann. Nach einigen Stunden geht sie aber intuitiv in Fleisch und Blut über.
Ergänzt wird das Kampfsystem durch ein weit verzweigtes Fähigkeitensystem. Technikpunkte, die man durch Erkundung, Quests oder das Befreien feindlicher Lager verdient, können in verschiedene Bereiche investiert werden. So lassen sich etwa neue Schwerthaltungen freischalten, die bestimmte Gegnertypen leichter brechen, oder erweiterte Konter- und Ausweichmanöver lernen, die das Timing im Duell noch bedeutsamer machen. Wer lieber im Verborgenen agiert, investiert in leise Attentate, verbesserte Bogenfertigkeiten oder Tricks mit Rauch- und Wurfwaffen. Das System belohnt individuelle Spielstile: Ob aggressiver Frontalkämpfer, taktischer Kontermeister oder geduldiger Schattenkrieger – Ghost of Yōtei lässt dir die Freiheit, Atsu nach deinen Vorlieben zu formen.
Grafik und Atmosphäre
Visuell schöpft Ghost of Yōtei die Möglichkeiten der PS5 nahezu aus. Schneebedeckte Gipfel, nebelverhangene Wälder und tosende Küstenabschnitte wechseln sich ab und bilden eine Kulisse, die nicht nur optisch, sondern auch akustisch überzeugt. Der dynamische Wechsel von Wetter und Tageszeiten sorgt dafür, dass kein Ort gleich bleibt. Besonders eindrucksvoll: Wie Sonnenlicht durch Blätter fällt oder Schneeflocken im Wind treiben – kleine Details, die zusammen eine glaubwürdige Welt erschaffen.
Spieler können zwischen mehreren Grafikmodi wählen: Performance für flüssige 60 FPS, Qualitätsmodus mit Raytracing für maximale Optik oder einen Hybridmodus auf der PS5 Pro. Die Soundkulisse unterstützt die visuelle Kraft – traditionell japanische Instrumente mischen sich mit atmosphärischen Klängen, die perfekt zur Stimmung passen.
Die offene Welt
Eines der größten Pluspunkte ist die Gestaltung der offenen Welt. Statt überladener Karten voller Marker setzt Ghost of Yōtei auf organische Orientierung. Ein Berg am Horizont, eine Rauchfahne oder das Rascheln von Vögeln – all das dient als Wegweiser, ohne dich mit HUD-Symbolen zu erschlagen. Diese natürliche Führung macht das Erkunden lohnend.
Die Spielwelt selbst ist abwechslungsreich und fordernd: Steile Klippen, verschlungene Wälder und weite Ebenen laden nicht nur zum Staunen, sondern auch zum Klettern und Experimentieren ein. Zwar wiederholen sich manche Nebenaufgaben im Verlauf, doch die Landschaft selbst bleibt durchweg reizvoll.
Vor allem aber lohnt sich das Umherschweifen, weil die Welt nicht nur Kulisse ist, sondern den Fortschritt des Charakters direkt beeinflusst. Bambus-Übungen etwa testen dein Reaktionsvermögen: Wer sie erfolgreich abschließt, erweitert die sogenannte „Ghost-Anzeige“, die im Kampf essenziell für Spezialmanöver ist. Heiße Quellen wiederum schenken nicht nur eine stimmungsvolle Ruhepause, sondern vergrößern permanent den Lebensbalken – kleine, aber spürbare Vorteile, die in brenzligen Situationen den Unterschied machen können. Befreite man feindliche Lager, winkt als Belohnung ein Technikpunkt, der in neue Fähigkeiten investiert werden darf. Diese reichen von erweiterten Kampfkombos bis hin zu verbesserten Stealth-Optionen, wodurch du deinen Spielstil Stück für Stück verfeinern kannst.
So entsteht ein Kreislauf, der Erkundung sinnvoll verknüpft: Du gehst nicht ziellos durch die Landschaft, sondern wirst immer wieder mit spürbaren Verbesserungen belohnt, die dich stärker, flexibler und individueller machen. Ghost of Yōtei zeigt damit, dass eine offene Welt mehr sein kann als eine hübsche Landkarte – sie ist ein integraler Bestandteil des Fortschritts und verleiht dem Abenteuer Substanz.
Vergleich zu Assassin’s Creed Shadows
Da Assassin’s Creed Shadows fast zeitgleich erschien und ebenfalls im feudalen Japan spielt, drängt sich ein Vergleich auf. Ubisoft setzt traditionell auf historische Breite, massiven Umfang und zwei spielbare Protagonisten. Ghost of Yōtei hingegen verfolgt eine fokussiertere, intimere Herangehensweise: weniger Figuren, dafür mehr emotionale Bindung.
Während Shadows mit gewohnter Ubisoft-Formel glänzt – Parkour, Attentate, gigantische Welt – überzeugt Yōtei durch Atmosphäre und Authentizität. Es fühlt sich persönlicher an, weniger wie eine Checkliste, mehr wie eine Reise. Spieler, die Wert auf Story-Tiefe und künstlerische Inszenierung legen, finden hier mehr Substanz. Wer hingegen pure Größe und historische Vielfalt sucht, wird bei Shadows eher fündig.
Fazit
Ghost of Yōtei ist kein reiner Aufguss von Tsushima, sondern eine gelungene Evolution. Es verbindet eine ergreifende Geschichte mit packendem Schwertkampf, einer detailverliebten Welt und einem audiovisuellen Erlebnis, das nur auf der aktuellen Konsolengeneration möglich scheint. Kleine Schwächen wie etwas seichtes Stealth oder wiederholende Nebenquests verhindern die absolute Perfektion, doch sie schmälern das Gesamtwerk kaum.
Am Ende bleibt ein starkes Gefühl: Man hat nicht nur ein Spiel erlebt, sondern eine Reise unternommen – durch Landschaften, Emotionen und Kämpfe, die in Erinnerung bleiben. Für Fans japanischer Settings, atmosphärischer Open-Worlds und intensiver Action ist Ghost of Yōtei ein Pflichtkauf und eines der eindrucksvollsten Spiele des Jahres 2025.